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1. Jahrestag der Ermordung General Soleimanis: Was wissen wir ein Jahr später über die Hintergründe?

von Dr. Markus Fiedler | Am 3.1.2021 jährte sich die gezielte Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani, Kommandeur der al-Quds Brigaden, am internationalen Flughafen in Bagdad zum ersten Mal. Was wissen wir heute, ein Jahr danach, über die Ermordung, welche Hintergründe wurden bekannt?

Man kann heute mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass US-Präsident Trump die Ermordung Soleimanis bereits im Juni 2019 angeordnet hatte. Der genaue Zeitpunkt wurde offen gelassen, das Verbrechen sollte als Reaktion darauf dargestellt werden, wenn US-Bürger in der Region zu Schaden kamen. Das berichteten übereinstimmend mehrere Nachrichtenagenturen – wie der Sender MSNBC News – unter Berufung auf ranghohe Beamte in der US-Administration.[1] Die Würfel zur Ermordung Soleimanis waren somit offenbar bereits im Sommer 2019 gefallen. Das war eine Zeit, in der die Aktivitäten von Trumps damaligem Sicherheitsberater, John Bolton, einen „Regime Change“ im Iran durchzuführen oder einen Krieg gegen das Land zu entfesseln, einem ersten Höhepunkt zusteuerten.[2] Bolton war dafür bekannt, schon seit längerem für einen Krieg gegen den Iran einzutreten. So hatte er z.B. im März 2015 in einem Gastbeitrag in der New York Times eine Bombardierung des Iran gefordert.[3] Auch der seit 2018 amtierende US-Außenminister Mike Pompeo ist dafür bekannt, vehement einen Krieg gegen den Iran zu befürworten. Bereits während der Krise um das iranische Atomprogramm lehnte er Verhandlungen mit dem Iran ab und vertrat die Auffassung, dass 2000 Starts von Bombern das Problem erledigen würden. Bolton und Pompeo waren aber nicht die einzigen Vertreter der „Kriegsfraktion“ in Washington, die einen Krieg gegen den Iran herbeizuführen gewillt waren.

Im Sommer 2019 stand US-Präsident Donald Trump unter enormen Druck der „Kriegsfraktion“ des Establishments, die in der US-Administration vor allem von seinem Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo repräsentiert wurde, nun endlich den Krieg gegen den Iran zu entfesseln.

Nach dem Abschuss einer US-Spionagedrohne am 20.6.2020 über dem Iran sah die „Kriegsfraktion“ den Zeitpunkt für gekommen, an dem ein Angriff auf den Iran unvermeidbar geworden war. Dagegen äußerte Trump öffentlich, dass es sich bei dem Abschuss möglicherweise um ein mögliches Versehen“ gehandelt habe – ein eindeutiges Indiz dafür, dass er keine Eskalation des Konfliktes anstrebte. Genau genommen äußerte er sich so, dass da jemand „leichtfertig und dumm war“, er habe das Gefühl, dass ein „General oder so jemand“ den Fehler zu verantworten habe, was aber „ein großer Fehler“ gewesen sei, den die USA nicht hinnehmen würden. Über die mögliche Reaktion sagte er nur: „Sie werden sehen“.[4] Dabei wird deutlich, wie Trump zwar unter dem Druck der Hardliner nicht als Weichling dastehen will, aber dennoch zögert und unwillig ist, daraufhin einen Krieg zu entfesseln. Einen Tag später wurde aus Washington bekannt, dass der Präsident die bereits gestarteten Bomber zurückgerufen hatte.

In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ bestätigte der ehem. Sicherheitsberater John Bolton, dass er nach dem Abschuss der Drohne „Global Hawk“ einen militärischen Aktion gegen den Iran geplant hatte. Diese wurde jedoch von Trump abgelehnt, was zum Bruch zwischen Trump und Bolton führte.[5] Es dürfte inzwischen klar sein, dass Bolton die Situation dazu benutzen wollte, jetzt endlich seine Kriegspläne gegen den Iran umzusetzen und Trump auf eine militärische Antwort drängte. Der US-Präsident wurde damals mehrere Male mit den Worten zitiert: „Ich will keinen Krieg“[6].Das Wall Street Journal zitierte den US-Präsidenten in diesen Tagen wie folgt: „Diese Leute wollen uns in einen Krieg treiben, und es ist widerlich“. Wer zu „diesen Leuten“ gehört, machte Trump im Interview mit NBC klar: „John Bolton ist absolut ein Falke, wenn es nach ihm ginge, würde er gegen die ganze Welt ziehen.“[7] In seinem Buch „The Room Where It Happened“ bestätigt Bolton dies und macht keinen Hehl daraus, dass der ausgefallene Iran-Krieg der Grund für seinen Bruch mit Trump war.[8]

Man kann nach dem derzeitigen Stand der Dinge davon ausgehen, dass US-Präsident Trump die Ermordung Soleimanis in diesen Tagen beschlossen hat. Denkbar ist aufgrund der Umstände, dass dies ein Zugeständnis an die „Kriegsfraktion“ war, um nicht als „Weichei“ dazustehen. Von der direkten Verantwortung für die Ermordung kann der Präsident aber dennoch nicht frei gesprochen werden, denn er gab ja letztlich den Befehl. Der „Märtyrer Soleimani“ hat sein Volk dadurch offenbar vor einem großen Krieg bewahrt, denn sein Leben war der „Preis“ dafür, dass der Krieg damals ausfiel.

Warum ist diese genaue Betrachtung der Umstände heute von Bedeutung? Sie zeigt einen Täter, der aber den Ausbruch eines großen Krieges vermied. Es geht nicht darum, jemanden reinzuwaschen. Die Betrachtung des Ablaufs macht aber auch deutlich, dass die „Liberalen“ – als Teil des US-Establishments (zu denen der gewählte Präsident Biden und sein designierter Kriegsminister gehört) – heute bellizistischer sind als der amtierende Präsident und man sich im Hinblick auf eine künftige US-Administration keinen Illusionen hingeben darf.

Anmerkung der Redaktion: In Kürze erscheint das Buch des Autors „Leben und Kampf von General Soleimani – Terrorist oder General der Herzen?“

 

 

[1]     https://www.tagesspiegel.de/politik/us-medienbericht-trump-gab-zustimmung-fuer-toetung-soleimanis-schon-im-sommer/25385464.html

[2]     https://www.handelsblatt.com/politik/international/john-bolton-trumps-kriegsfluesterer-war-seinem-ziel-noch-nie-so-nah-wie-jetzt/24483472.html?ticket=ST-1341570-nIezncoSRHWEsstWa6Yt-ap2

[3]     Vgl. ebenda

[4]     Trump, Donald zitiert nach ebd.

[5]     https://www.fr.de/panorama/john-bolton-donald-trump-interview-usa-praesident-angriff-90048363.html

[6]     Trump, Donald, zitiert nach „Handelsblatt“, vgl. https://www.handelsblatt.com/politik/international/john-bolton-trumps-kriegsfluesterer-war-seinem-ziel-noch-nie-so-nah-wie-jetzt/24483472.html?ticket=ST-1341570-nIezncoSRHWEsstWa6Yt-ap2

[7]     https://www.sueddeutsche.de/politik/trump-bolton-iran-fox-drohne-militaer-1.4496815

[8]     https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-amerika/warum-bolton-mit-trump-brach-der-iran-krieg-fiel-aus-16820981.html

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