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Das Verhältnis zwischen dem Willen Gottes und dem menschlichen Willen in Mīrdāmāds Risālat al-Īqāẓāt

Von: Zakieh Azadani | Einleitung

Mīr Burhān ad-Din Mohammad Bāqir Istarābādi, besser bekannt als Mīrdāmād (1561/969), war einer der berühmten schiitischen Gelehrten, der unter der Herrschaft der Safawiden die Gelegenheit hatte, seine philosophischen Ideen zu entwickeln – trotz des Widerstands einiger Dogmatiker. Nachdem er seine frühe Ausbildung in Mashhad erhalten und einige Zeit in Qazvin und Kashan verbracht hatte, reiste Mīrdāmād nach Isfahan, dem wahrscheinlich wichtigsten Zentrum für islamische Studien in jener Zeit. Dort konnte er sich als Rechtsgelehrter und Philosoph einen Namen machen. Er wurde als dritter Lehrer (nach Aristoteles und Fārābi) in der Safawidenzeit bezeichnet und war der Begründer der sogenannten „Schule von Isfahan“.[2] Da sein Hauptanliegen die Entdeckung des Wesens der theistischen Schöpfung ist, befasst sich seine Philosophie im Wesentlichen mit den Problemen von Zeit und Schöpfung.[3] Seine wichtigste und umstrittenste Theorie betrifft die Idee des immerwährenden Anfangs (udū dahrī), d. h. die Erschaffung von Existenzen im Anschluss an ihre Nichtexistenz in ewiger, atemporaler Weise.[4] 

Ihm werden etwa fünfzig Abhandlungen zugeschrieben. Unter ihnen war al-Qabasāt („Feuerfunken”) sein bedeutendstes und berühmtestes Werk, in dem er seine Philosophie, die als al-ikma al-yamānī bezeichnet wird, beschreibt.  Al-Qabasāt, das aus zehn Qabas („Feuerfunken”) besteht, untersucht einige wichtige philosophische Fragen, darunter das Problem des Schicksals und seine Beziehung zum menschlichen Willen. In der Risālat al-Īqāāt fī alq al-Aʿmāl („Abhandlung des Erwachens über die Erschaffung von Handlungen”) will Mīrdāmād jedoch seine Ideen über den freien Willen des Menschen, der seiner Meinung nach eines der kompliziertesten und verborgensten Probleme darstellt, im Detail erläutern. Im Allgemeinen wird in der islamischen Philosophie in Bezug auf das Problem der menschlichen Willensfreiheit der Schwerpunkt auf die Frage der absoluten Kausalität gelegt: Wenn die Wirkungen gegenüber der Ersten Ursache (d. h. Gott) nicht ungehorsam sein dürfen, wie wäre dann der freie Wille des Menschen möglich? In diesem Traktat versucht also auch Mīrdāmād, die Beziehung zwischen dem menschlichen Willen und dem Willen Gottes zu erklären.

In diesem Fall wurde Mīrdāmād stark von Ṭūsī beeinflusst. Im dritten Kapitel von al-Īqaāt bestätigt Mīrdāmād die Behauptung von Ṭūsī, indem er dessen Sätze wiederholt.[5] Er erwähnt auch den gesamten Text des 9. Kapitels von Ṭūsis Abhandlung Ǧabr wa Qadar im fünften Teil von al-Īqaāt[6], um seine Übereinstimmung mit ihm bei der Interpretation der Bedeutung eines Mittelweges zu betonen, der weder Zwang für den Menschen (ǧabr), noch Übertragung von Macht auf den Menschen (tafwīd) ist.

Daher werde ich in diesem Artikel zunächst über den philosophischen Ansatz von Ṭūsī berichten, der in seiner Abhandlung Ǧabr wa Qadar („Zwang und Schicksal”) ausführlich erläutert wird. Ṭūsī versucht, den freien Willen des Menschen zu rechtfertigen, obwohl alle Wirkungen der vollständigen Ursache, d.h. Gott, nicht ungehorsam sein dürfen. In einem zweiten Schritt wird Mīrdāmād’s Haltung zur Frage der menschlichen Willensfreiheit anhand seiner Abhandlung mit dem Titel Risālat al-Īqāāt fī alq al-aʿmāl untersucht. Beeinflusst von Ṭūsīs Lösung des Problems, versucht auch er, den freien Willen des Menschen nicht neben, sondern entlang des Willens der Ersten Ursache zu begründen.

  1. Ṭūsīs Erklärung des Verhältnisses zwischen Gottes Willen und menschlichem Willen

Wie bereits erwähnt, legt Ḫwāǧa Naṣīr ad-Din Ṭūsī (1201/597) seine Ideen zur Frage des menschlichen freien Willens in einer Abhandlung mit dem Titel Ǧabr wa Qadar dar. Diese kurze, in persischer Sprache verfasste Abhandlung umfasst 10 Kapitel, in denen Ṭūsī versucht, das von verschiedenen Kalām-Schulen kontrovers diskutierte Problem des freien Willens darzulegen, und erklärt, dass trotz der Tatsache, dass alle Wirkungen nur dann eintreten, wenn ihre Ursachen notwendig sind, der freie Wille des Menschen dennoch möglich ist. 

Quelle: SPEKTRUM IRAN 35. Jahrgang 2022, Heft ½

http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2022/08/mirdamad.pdf

 

Zakieh Azadani, Lecturer at the University of Tehran, Iran. Email: z.azadani@ut.ac.ir

[2]. Bihbahānī, 1377 (1998), 50.

[3]. El-Rouayheb and Schmidtke, 2017, 442.

[4]. C.f., Rahman, 1980, 139-51; El-Rouayheb and Schmidtke, 2017, 444-457.

[5]. Mīrdāmād, 1391 (2012): 36-37.

[6]. Mīrdāmād, 1391 (2012): 94-98.

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