Susa zu besuchen war wie in ein lebendiges Geschichtsbuch einzutauchen. Vom Moment meiner Ankunft in dieser antiken Stadt im Südwesten Irans an hatte ich das Gefühl, durch verschiedene Zeitebenen zu wandern, wobei jeder Schritt Spuren von Zivilisationen offenbarte, die die Menschheitsgeschichte geprägt haben.
Susa ist nicht einfach nur eine weitere archäologische Stätte; sie ist einer der ältesten durchgehend bewohnten Orte der Erde, und dort zu sein, hat mir ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit der Vergangenheit vermittelt.
Die antike Stadt liegt in der fruchtbaren Ebene von Chuzestan, nahe dem Fluss Karkheh und am Rande des Zagrosgebirges. Ihre Lage erklärt, warum Menschen hier seit Jahrtausenden leben. Wasser, fruchtbares Land und natürliche Handelswege machten sie zu einem idealen Ort für frühe Siedlungen. Archäologen gehen davon aus, dass Menschen hier bereits vor 7.000 Jahren lebten und dass sie um 4200 v. Chr. bereits ein entwickeltes urbanes Zentrum war.
Beim Durchstreifen der Ruinen konnte ich mir gut vorstellen, wie Susa einst die Hauptstadt des elamischen Königreichs war und später zu einer der wichtigsten Hauptstädte des Achämenidenreichs wurde. Unter Königen wie Darius dem Großen erlebte die Stadt eine Blütezeit. Sie war nicht nur ein politisches Zentrum, sondern auch das kulturelle und administrative Herzstück des Reiches. Von hier aus wurden Befehle erteilt, Waren über die Märkte gehandelt und Menschen aus verschiedenen Ländern lebten Seite an Seite.

Einer der beeindruckendsten Momente meines Besuchs war die Erkundung der Überreste des antiken Palastkomplexes. Der von Darius dem Großen erbaute Apadana-Palast erstrahlte einst in vollem Glanz. Heute sind nur noch Fragmente erhalten, doch selbst diese genügen, um sich seine einstige Pracht vorzustellen. Die glasierten Ziegel, die Reliefs und die massiven Säulen zeugen von einem Reich, das Schönheit, Ordnung und Macht hoch schätzte. Als ich dort stand, konnte ich mir fast vorstellen, wie Delegationen aus fernen Ländern durch seine Hallen schritten.
Als ich durch die archäologische Stätte wanderte, war ich beeindruckt, wie viele Schichten der Geschichte sich hier an einem Ort vereinen. Die Ausgrabungen legen Spuren elamitischer, babylonischer, assyrischer, achämenidischer, griechischer, parthischer und sasanidischer Zivilisationen frei. Nur wenige Orte auf der Welt zeugen von einer so lückenlosen Geschichte menschlichen Lebens. Keramikscherben, Inschriften und antike Fundamente liegen verstreut über das Gelände und erzählen jeweils einen kleinen Teil einer sehr langen Geschichte.
Susa ist auch von tiefer religiöser Bedeutung. In der Bibel wird es als Schuschan erwähnt und spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte von Esther. Der Überlieferung nach ist hier der Prophet Daniel begraben, und sein Grab zählt zu den bedeutendsten religiösen Stätten der Stadt. Ich besuchte den Schrein, der an seiner einzigartigen Kegelkuppel leicht zu erkennen ist. Menschen verschiedener Glaubensrichtungen kommen hierher zum Beten, was ein Zeugnis jahrhundertealten gemeinsamen spirituellen Erbes ist.

Ein weiteres Highlight meines Besuchs war die Festung von Susa, auch bekannt als die Französische Festung. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts von französischen Archäologen erbaut und thront auf einem der alten Hügel, die die Stätte überragen. Die Burg selbst erinnert an die Anfänge der Archäologie, als Entdecker kamen, um die Geheimnisse der Antike zu lüften. Von ihren Mauern aus genoss ich den weiten Blick über die Ruinen und die umliegende Ebene, was mir half, die Anlage und Bedeutung der Stadt besser zu verstehen.
Die moderne Stadt Shush umgibt diese antiken Ruinen. Beim Schlendern durch die Straßen begegnete ich einem Mix aus Kulturen und Traditionen. Araber, Luren, Dezfuliten und andere leben hier Seite an Seite und führen so eine lange Tradition der Vielfalt fort. Die Stadt ist noch immer tief mit ihrer Vergangenheit verbunden und dennoch voller Leben: Märkte, Moscheen und das pulsierende Alltagsleben prägen das Stadtbild rund um die Ruinen.

Was mich an Susa am meisten beeindruckte, war, wie natürlich Geschichte und Alltag ineinanderfließen. Dies ist kein erstarrter archäologischer Park, sondern ein lebendiger Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart Seite an Seite existieren. In der Nähe verleihen Orte wie die Zikkurat von Tchogha Zanbil und die fruchtbaren Ländereien, die vom Fluss Dez genährt werden, der historischen Landschaft der Region noch mehr Tiefe
Als ich Susa verließ, hatte ich das Gefühl, nicht nur eine historische Stätte besucht, sondern Jahrtausende menschlicher Geschichte durchwandert zu haben. Von antiken Königen und Reichen bis hin zu modernen Gemeinschaften erzählt Susa eine eindrucksvolle Geschichte von Kontinuität, Widerstandsfähigkeit und kulturellem Reichtum. Es ist ein Ort, der einen noch lange nach der Abreise begleitet, ein wahrer Schatz menschlicher Zivilisation im Herzen Irans.
Von Afshin Majlesi
Aus dem Englischen, irankultur.com
Alle Bilder: https://www.tehrantimes.com/news/522204
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