Im abgelegenen Nordwesten Irans, in der bergigen Provinz West-Aserbaidschan, erhebt sich das Kloster Sankt Thaddäus – ein außergewöhnliches Zeugnis frühchristlicher Geschichte, das als eines der ältesten noch existierenden Kirchengebäude der Welt gilt.
Ein Ort mit apostolischen Wurzeln
Nach der Überlieferung der armenischen Christen wurde an genau dieser Stelle im Jahr 66 n. Chr. die erste Kirche von Judas Thaddäus gegründet, einem der zwölf Apostel Jesu Christi. Thaddäus – nicht zu verwechseln mit Judas Iskariot – soll hier den christlichen Glauben gepredigt und sein Martyrium erlitten haben. Der Legende nach befindet sich sein Grab in der Kirche selbst.
Obwohl archäologische Belege für dieses frühe Gründungsdatum fehlen, sprechen schriftliche Quellen von einer christlichen Präsenz an diesem Ort bereits im 7. Jahrhundert. Teile des heutigen Bauwerks stammen aus verschiedenen Epochen: Einige Bauelemente werden dem 7. und 10. Jahrhundert zugeschrieben, während größere Abschnitte nach einem Erdbeben im Jahr 1319 und umfassenden Renovierungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen.
UNESCO Weltkulturerbe Zentrum
Ein architektonisches und spirituelles Ensemble
Das Klosterensemble umgibt eine mächtige Umfassungsmauer und umfasst mehrere Kapellen, Wohnräume für Mönche sowie die zentralen Kirchenbauten. Besonders markant sind zwei Kirchenbereiche:
Die „Schwarze Kirche“ – wegen der dunklen Steine auch Qareh Klise genannt – gilt als der älteste erhaltene Teil des Komplexes.
Die „Weiße Kirche“ mit ihrem kuppelförmigen Glockenturm wurde später ergänzt und prägt das heutige Gesicht des Klosters.
Die Fassaden sind reich verziert mit Reliefs von Blumen, Tieren und menschlichen Figuren sowie Inschriften aus dem Alten und Neuen Testament in armenischer Kalligrafie – ein eindrucksvolles Beispiel armenischer Baukunst und sakraler Symbolik.
UNESCO-Welterbe und lebendige Tradition
Seit 2008 gehört das Kloster St. Thaddäus gemeinsam mit dem St. Stepanos-Kloster und der Dzordzor-Kapelle zum UNESCO-Welterbe „Armenian Monastic Ensembles of Iran“ und gilt als herausragendes Beispiel kultureller Wechselwirkungen zwischen byzantinischer, orthodoxer, armenischer und persischer Baukunst.

Heute ist das Kloster nicht nur ein archäologisches Denkmal, sondern ein lebendiger spiritueller Ort: Jedes Jahr pilgern tausende Gläubige – vor allem aus Iran und Armenien – zu religiösen Feiern und Gedenktagen. 2020 wurde die traditionelle Pilgerfahrt zum St. Thaddäus-Kloster sogar von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Faszination zwischen Geschichte und Glauben
Das Kloster St. Thaddäus fasziniert bis heute: Als kultureller Schnittpunkt zwischen verschiedenen Religionen und Zivilisationen steht es für die lange, oft verflochtene Geschichte des Christentums im Nahen Osten. Seine Mauern erzählen von Glauben, Zerstörung und Wiederaufbau – und von der ungebrochenen Lebendigkeit eines Ortes, der weit mehr ist als nur ein historisches Bauwerk.
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