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Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen und die islamische Mystik

Roland Pietsch[1]

ويقال أن الامبراطور كان مسلما في الباطن

والله أعلم بحاله وما كان عليه

Man sagt, dass der Kaiser insgeheim ein Muslim war. Aber Gott kennt seinen Zustand und seinen Glauben besser.

Nāṣir ad-Dīn ibn al-Furāt[2]

 

Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen – Imperator Fridericus Secundus Romanorum Caesar Semper Augustus Italicus Siculus Hierosolymitanus Arelatensis Felix Victor Ac Triumphator – ist eine der bedeutendsten Herrschergestalten des hohen Mittelalters, der, wie kein anderer, enge und freundschaftliche Beziehungen zu den islamischen Ländern pflegte[3].

Diese Verbundenheit mit dem Islam und der islamischen Kultur ist in seiner Kindheit und Jugend begründet worden, die er im damals islamisch geprägten Palermo[4] verbrachte, wo auf den Straßen noch Arabisch gesprochen wurde. Später als Herrscher umgab er sich mit einer sarazenischen Leibgarde und an seinem Hof wirkten neben christlichen und jüdischen Gelehrten auch zahlreiche muslimische Gelehrte. Darüber hinaus richtet er in seinem Streben nach Erkenntnis, das sich auf nahezu alle Bereiche des Wissens erstreckten, zahlreiche Fragen an Gelehrte in der islamischen Welt. Unter anderem wurden von ihm eine Reihe von vorwiegend philosophischen Fragen durch Vermittlung des Almohadenkalifen ´Abd al-Wahīd al-Rašīd und des Gouverneurs Ibn Ḫalaṣ von Ceuta an den andalusischen Mystiker ´Abd al-Ḥaqq ibn Sab’īn zur Beantwortung übergeben, der seine Antworten in den „Sizilianischen Fragen (al-masā ̓il al-ṣiqilliyya)“ zusammengefasst hat.

In diesen „Fragen“, die eigentlich seine Antworten an den Kaiser sind, unterscheidet er zwischen Philosophie und Mystik. Bevor im Folgenden die mystischen Antworten Ibn Sab’ins ausführlich betrachtet werden, wird zunächst ein kurzer Überblick über Leben und Herrschaft Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen sowie über das Leben und die Schriften des andalusischen Mystikers Ibn Sab’īn vorangestellt.

  1. Lebensweg und Herrschaft von Friedrich II[5]

Am 26. Dezember 1194 wurde Friedrich als Sohn des Stauferkaisers Heinrich VI. und seiner Gattin Konstanze, Tochter des Normannenkönigs Roger II. in Jesi, Provinz Ancona, geboren. Drei Monate später übergab Konstanze den Säugling der Herzogin von Spoleto. Nach dem Tod von Kaiser Heinrich VI. im Jahr 1197 ließ Konstanze den kleinen Friedrich nach Palermo bringen, wo er am 17. Mai 1198 zum König von Sizilien gekrönt wurde. Ein Jahr später starb Konstanze. Sie hatte vorher Papst Innozenz III zum Staatsverweser von Sizilien und zum Vormund für Friedrich bestellt. Der Papst konnte aber seine Rechte lange nicht durchsetzen, weil sich verschiedene Gruppierung von im Lande verbliebenen Anhängern von Heinrich VI um die Herrschaft stritten. 1201 eroberte Markward von Antweiler Palermo und nahm den jungen König gefangen. Über die folgenden schwierigen Jahre ist nicht viel bekannt. Dennoch wurde Friedrich eine vielseitige Bildung zuteil; er lernte Latein, Griechisch und andere Sprachen, darunter auch Arabisch, und übte sich in den ritterlichen Kampfkünsten. 1208 endete die Vormundschaft des Papstes, weil Friedrich das vierzehnte Lebensjahr erreicht hatte. 1209 heiratete er auf Vorschlag des Papstes Konstanze von Aragon, die Witwe des ungarischen Königs Emmerich. Im selben Jahr begann er seinen Herrschaftsanspruch auf das Königreich Sizilien zu festigen. Diese Herrschaft wurde aber durch den Welfen Otto IV bedroht, der vom Papst im Oktober 1209 zum Kaiser gekrönt worden war. Weil sich Otto aber nicht an die Vereinbarungen mit dem Papst hielt, wollte dieser Friedrich zum deutschen König wählen lassen. Daraufhin brach Otto seinen Feldzug gegen Sizilien ab. Daraufhin ließ Friedrich seinen Sohn Heinrich zum König von Sizilien krönen und zog 1212 mit einer kleinen Schar nach Deutschland. Am 25. Juli 1215 wurde er in Aachen zum deutschen König gekrönt und legte dort das Kreuzzugsgelübde ab. Im Jahr 1220 übertrug Friedrich seine deutsche Königswürde an seinen Sohn Heinrich, der in Frankfurt zum deutschen König gewählt wird. Im August desselben Jahres zog Friedrich nach Rom, wo er von Papst Honorius zum Kaiser gekrönt wurde. Im Dezember kehrte er nach achtjähriger Abwesenheit in sein Königreich Sizilien zurück. Bei Papst Honorius III erreichte er 1222 einen Aufschub des Kreuzzugstermins. Im selben Jahr starb Kaiserin Konstanze. 1224 siedelt er die Inselsarazenen nach Lucera um. Ein Jahr später heiratete er Isabella von Brienne, die Erbin des Königreichs Jerusalem. Nach eindringlicher Mahnung durch Papst Gregor IX. trat Friedrich 1227 den Kreuzzug an, erkrankte, kehrte deshalb zurück und wurde vom Papst mit dem Bann belegt. Als Gebannter brach Friedrich 1228 erneut zum Kreuzzug auf und kam am 7. September in Akkon an. Nach langen Verhandlungen mit dem befreundeten Sultan Malik al-Kāmil[6] erreicht der Kaiser den freien Zugang von christlichen Pilgern zu den heiligen Stätten. Am 18. März 1229 krönte sich Friedrich in der Grabeskirche selbst zum König von Jerusalem und kehrte anschließend nach Sizilien zurück, wo er die päpstlichen Soldaten vertrieb und 1230 in San Germano mit dem Papst Frieden schloss, der ihn dann auch vom Bann löste. In den folgenden Jahren widmete er sich der Neuordnung des sizilianischen Staates, die in den „Konstitutionen von Melfi“ 1231 von ihm verkündet wurde. 1234 schloss sein Sohn Heinrich VII. mit den lombardischen Städten ein Bündnis gegen den Kaiser seinen Vater, der mit aller Macht die alte Reichshoheit wiederherstellen wollte. Diese Städte verbündeten sich aber mit dem Papst gegen ihn, der im März 1239 Friedrich erneut bannte. 1244 scheiterte der Versuch eines Friedenvertrags mit dem neuen Papst Innozenz IV., der sich einem Treffen mit dem Kaiser durch Flucht nach Lyon entzog. Auf dem Konzil in Lyon erklärte der Papst den Kaiser für abgesetzt. Schließlich rief der Papst sogar zum Kreuzzug gegen den Kaiser auf. Mitten in diesen harten Kämpfen starb Friedrich II. am 13. Dezember 1250 im apulischen Castel Fiorentino. Wie der bedeutende englische Benediktinermönch und Chronist Matthäus von Paris (1200-1259) schrieb, starb „unter der Welt Fürsten der Größte, Friedrich, auch das Staunen der Welt und wundersamer Veränderer (stupor mundi et immutator mirabilis), losgesprochen von dem Banne, der auf ihm gelastet, nachdem er, wie man sagt, das Kleid der Zisterzienser angezogen, Buße getan und sich gedemütigt hatte. Er starb aber am Tage der heiligen Lucia (13. Dezember 1250), so daß man nicht sagen kann, das Erdbeben jenes Tages sei ohne Bedeutung und nichtssagend gewesen … Er hatte aber ein herrliches Testament errichtet (am 10. Dezember), nach dem die durch ihn geschädigten Kirchen Ersatz erhalten sollen. Sein Tod wurde einige Tage verheimlicht, damit seine Feinde nicht zu bald darüber frohlockten; aber am Tag des heiligen Stephan (26. Dezember) wurde er allgemein bekanntgemacht und dem Volke verkündet“[7]. Seine sterblichen Überreste wurden von seiner sarazenischen Leibgarde von Apulien bis nach Palermo getragen, wo er im Dom am 25. Februar 1251 beigesetzt wurde.

Weiter unter:
http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2021/04/7-Kaiser-Friedrich-II.pdf

 

[1] Maximilian Universität München, E-mail: roland.pietsch@t-online.de.

[2] Nāṣir ad-Dīn ibn al-Furāt (1334-1405) ägyptischer Chronist, sein Hauptwerk: Ta`rīḫ ad duwal wa-l-mulūk (Geschichte der Dynastien und Königreiche). Englische Übersetzung: Ayyubids, Mamlukes and Crusaders. Selections from the Tārīkh al-Duwal wa`l-Mulūk of Ibn al-Furāt in two vol., Text and Translations by U. and M. C. Lyons, Cambridge 1971, hier Bd. 1, S. 48.

[3] Vgl. Eberhard Horst, Der Sultan von Lucera. Friedrich II. und der Islam, Freiburg i. Br., 1997; Georg Goldmann, Deutscher Kaiser und Muslim? Über die Beziehungen Friedrich II. von Hohenstaufen zum Islam, Norderstedt 2006; Marcello Pacifico, Federico II e Gerusalemme al tempo delle crociate. Relazioni tra cristianità e islam nello spazio euro-mediterraneo medievale 1215-1250, Caltanisetta-Roma 2012.

[4] Vgl. Michele Amari, Storia die Musulmani di Sicilia, Bd. I-III, Florenz 1854/72. 

[5] Vgl. Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich II., Berlin 1927; Neuausgabe: Stuttgart 1998; Carl A. Willemsen, Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrich II. und der letzten Staufer, München 1986; Eberhard Horst, Friedrich der Staufer. Eine Biographie, Hildesheim 1992; Wolfgang Stürmer, Friedrich II., Teil 1, Die Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland, Darmstadt 1992; Ders., Friedrich II., Teil 2, Der Kaiser, Darmstadt 2000; Oleg Voskobojnikov, Duša mira: nauka, isskustvo i politika pri dvore Fridricha II; 1200-1250, Moskau 2008.

[6] Vgl. Hans Ludwig Gottschalk, Al-Malik al-Kāmil von Egypten und seine Zeit, Wiesbaden 1956; Pino Blasone / Franco Cardini / Carlo Ruta: Francesco d’Assisi, al-Malik al-Kāmil, Federico II di Svevia – Eredità e dialoghi del XIII secolo, Ragusa 2010.

[7] Klaus J. Heinisch (Hrsg. und Übers.), Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, Darmstadt 1968, S. 635 f.

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