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Das Familienoberhaupt der Kadscharen-Dynastie Azud Al-Dawie. Foto: Ali Moujani, Golestan Palast , Teheran Quelle: Berliner-zeitung

Berliner Zeitung: Fotos des schiitischen Islam Ausstellung zeigt sensationelle Aufnahmen aus dem Iran

Aus dem Iran erreichen uns derzeit zumeist beunruhigende Nachrichten, von Protesten, Demonstrationen und von den Widersprüchen zwischen Hardlinern und Reformern des islamischen Regimes. Vor dieser politischen Folie, die im Iran immer auch religiös gefärbt ist, gibt eine Foto-Ausstellung umso bemerkenswertere Einsichten, mit Bildern, durch die der deutsche Fotograf Hans Georg Berger uns ins Innerste des schiitischen Islam blicken lässt.

In einem Langzeit-Fotoprojekt in den Jahren 2000 bis 2005 verbrachte er viele Tage in den Zentren für Wissenschafts- und Religionsstudien in Qum, Isfahan und Mashhad. Kein westlicher Fotograf ist bislang so tief vorgedrungen, hat sich so ausführlich mit dem Leben in den theologischen Hochschulen im Iran befasst.

Ein komplexes Unternehmen, eine Beschäftigung mit dem Anderen. Denn es sind Orte der Abgeschiedenheit und Konzentration, Orte der Ruhe, der Meditation, des stillen Gebets, zu denen junge Menschen, die oft aus armen Verhältnissen stammen, lange Jahre studieren und zu denen Außenstehende keinen Zugang haben.

Berger hat Seminaristen im philosophischen und theologischen Gespräch aufgenommen, im Garten, beim Binden des Turbans, wie sie im Kreis sitzen und über die Fotos, die er von ihnen gemacht hat, und deren Ästhetik diskutieren. Aber auch Frauen, Studentinnen der Jamiat al-Zarah Universität in Qum etwa, einem noch unzugänglicheren Ort. All das zeigt der Fotokünstler ganz nah und doch in respektvoller Distanz.

Alle Weltreligionen fotografisch erkunden

Vertrauen sei die Basis dieser Zusammenarbeit gewesen, sagt Hans Georg Berger, der 1951 in Trier geboren wurde und Vergleichende Religionswissenschaften studierte. Gemeinsam mit   Joseph Beuys erarbeitete er das Prinzip der „Sozialen Plastik“, das er auch auf seine fotografische Arbeit in Persien angewendet hat – seinem Plan folgend, die Weltreligionen und ihre Lehrsysteme zu erkunden. Zuvor hatte er in Laos schon den Buddhismus beobachtet.

Den ersten Kontakt in den Iran ermöglichte ihm der Schriftsteller Navid Kermani, erzählt Berger, zu dem schiitischen Theologen Saeid Edalatnejad, der lange im islamischen Wissenschaftszentrum in Qum tätig war. Das war 1996. Berger beschreibt die plötzliche Stille, die ihn beim ersten Besuch umgab, als sich das Tor in die Koran-Universität von Chahar-Baq in Isfahan hinter ihm, dem Unwissenden, dem Lernenden, schloss.

So heißt der Titel der Ausstellung denn auch „Einsicht“, was sowohl Etwas-verstehen, als auch In-etwas-hinschauen bedeutet. In der Bumiller Collection wird die von Boris von Brauchitsch kuratierte Ausstellung, die letztes Jahr in Teheran und Isfahan zu sehen war, im Kontext als „Drei Reisen in den schiitischen Islam“ gezeigt.

Verborgenes Material aus dem Golestan Palast

Die zwei weiteren „Reisen“ sind historisch. Es sind diese bisher unveröffentlichten Dokumentationen der Hoffotografen des Schahs aus den Jahren 1871 bis 1906, die zusammen mit Hans Georg Bergers Fotos die Schau zu einer kleinen Sensation machen. Sie stammen aus einem verborgenen Teil des Nationalarchivs des Golestan Palastes.

Mit den ersten Kameras überhaupt waren kleine Teams auf Initiative zweier persischer Schahs, von Naser al-Din, dem Vater (1831–1896), und später Mozaffar al-Din, dem Sohn (1853–1907), zu Exkursionen aufgebrochen: zu den heiligen schiitischen Stätten von Kerbala und Nadschaf, getarnt als Pilgerreisen, denn schon damals lagen diese jenseits der persischen Grenze im Osmanenreich.

Man sieht die Karawanserei von Kermanschah, ein Foto zeigt das Familienoberhaupt der Kadscharen-Dynastie Azud Al-Dawle, der Naser al-Din Schah begleitete und die Restaurierungsarbeiten an den Heiligtümern leitete. Sie scheuten keine Mühen für gute Aufnahmen, eine Kutsche war eigens mit einer Dunkelkammer ausgerüstet.

Bilder der Besitzergreifung

Luftaufnahmen von 1871 aus dem Heißluftballon lassen auf Samarra blicken oder 1905 über die Wüste bis zum Schrein von Qum. Aufnahmen, die aber auch Bilder der Besitzergreifung sind – mit den Mitteln der Fotografie. Sie veranschaulichen eine Diskrepanz zwischen Modernisierung und Moderne, die selten so eklatant zu Tage trat wie während der Regierungszeit Naser al-Din Schahs, schreibt Boris von Brauchitsch in dem äußerst aufschlussreichen Katalog (Kehrer Verlag).

Die Texte sind in Farsi und auf Deutsch, gefördert wurde das Projekt vom Auswärtigen Amt als Teil des deutsch-iranischen Wissenschafts- und Kulturdialogs. Die Beschäftigung mit dem Anderen bekommt mit dieser „Einsicht“ ein offenes fotografisches Gesicht. Das ist viel in Zeiten, in denen die Angst vor dem Anderen alles zu ersticken droht.

– Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/29516658 ©2018

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