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Bild von Mario auf Pixabay

Wir brauchen Dialog

Von Mathilde Schwabeneder[1] | Als mich die Organisatorin und Ideengeberin des Symposions, die Künstlerin Mitra Shahmoradi-Strohmaier, bat, die Moderation zu übernehmen, habe ich nicht lange gezögert. Ging es doch um eine Thematik, die einerseits sehr aktuell ist, die mich aber andererseits an meine Studienzeit in den 1980er Jahren in Rom erinnerte. Aber was haben Romanistik bzw. Hispanistik damit zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Dennoch wurde mir durch das Studium an der Universität „La Sapienza“ die Rolle des „Orients“ für die kulturelle und geisteswissenschaftliche Entwicklung Europas sowie der wechselseitige Einfluss erstmals richtig bewusst. Wir hörten viel über Interkulturalität und Übersetzungen. Darüber wie zur Zeit des Abbasiden-Kalifats die philosophischen und wissenschaftlichen Errungenschaften der griechischen Antike ins Arabische übertragen wurden und wie diese dann über Spanien oder besser Al-Andalus den Weg ins Lateinische und damit zu uns fanden. Wir hörten aber auch über die zentrale Rolle Persiens in all diesen Jahrhunderten. Warum dieses große Interesse in Italien?

Das mag auch an der Bedeutung der Universität „L´Orientale“ gelegen sein, die 1732 in Neapel gegründet wurde, und als Europas älteste Hochschule in den Bereichen Sinologie und Orientalistik gilt. An ihr unterrichtete bis in die 1970er Jahre der international bekannt gewordene Iranist, Alessandro Bausani, der anschießend an die Università di Roma „La Sapienza“ wechselte. Bausani gelang es die persische Kultur aus der rein historischen Perspektive herauszuholen und den Blick auch auf die Gegenwart zu werfen. Unfreiwillig zu Hilfe kam diesen Bestrebungen später die Islamische Revolution von 1979, die zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi und zur Ausrufung der Islamischen Republik Iran führte.

Europas Blick auf den Iran veränderte sich. Diesem Umstand verdankt wohl auch die „S.I.E“ ihre Gründung: die „Societas Iranologica Europaea“.(1) Ins Leben gerufen wurde sie 1983 in Rom. Wie man auf ihrer Homepage nachlesen kann, ist das Ziel der „S.I.E.“, die „Förderung, Entwicklung und Unterstützung iranistischer Studien“. Und zwar in allen Bereichen. Also auch in „Philologie, Linguistik, Literatur, Geschichte, Religion, Kunst, Archäologie, Philosophie, Ethnologie, Geographie sowie Geisteswissenschaft und Rechtswissenschaft.“ Erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass die Gesellschaft – vierzig Jahre nach ihrer Gründung – mit ihren Veranstaltungen weit über Europa hinausgewachsen ist.

Mein persönlicher, studentischer Schwerpunkt – und später auch beruflicher, journalistischer Fokus – waren jedoch nicht der „Orient“ und damit auch nicht der Iran. Mein Interesse für die Region war jedoch geweckt. Und blieb.

Wie war also die Situation in Österreich?

Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten bestehen – wie auf der Seite der österreichischen Botschaft in Teheran nachzulesen ist – seit Jahrhunderten.(2) Konkretisiert wurden sie jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. So entstand die erste ständige diplomatische Vertretung Österreichs (damals Österreich-Ungarn) im Kaiserreich Persien im Jahr 1872.  Im darauffolgenden Jahr war Persien auch unter den Teilnehmern der Weltausstellung in Wien – der größten der damaligen Zeit – und glänzte mit einem eigenen Persischen Haus.

Eng blieben vor allem – ungeachtet der großen politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts – die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran. So gründete Österreich schon bald nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages, der seine eigene Unabhängigkeit wieder herstellte, in Teheran ein Kulturinstitut, das 1958 offiziell eröffnet wurde.(3) „Als im Gefolge der Revolution von 1979, sämtliche andere westlichen, ausländischen Kultureinrichtungen geschlossen wurden, blieb das österreichische Kulturinstitut als einziges von diesem Schicksal verschont.“ In Österreich ist man daher stolz auf die dadurch erreichte „weltweit einzigartige Monopolstellung.“ Das nunmehrige Kulturforum hat daher einen wesentlichen Anteil an der Vermittlung westlicher Kultur und „sieht seine Tätigkeit in erster Linie eingebettet in die Aufgabe, im Rahmen des Dialoges der Zivilisationen zu Frieden und Verständnis zwischen dem christlich-abendländisch geprägten und dem islamischen Kulturkreis beizutragen.“ Kultur als Brückenbauer.

Brücken bauen ist heute angesichts vielfältiger geopolitischer Herausforderungen wichtiger denn je. Wir erleben seit einiger Zeit einen globalen Rechtsruck und sehen wie sich – letztlich auch durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – die Weltordnung vor unseren Augen verändert. Die Konsequenzen sind derzeit nicht absehbar. Europa und die Demokratie selbst kommen jedoch in Bedrängnis und damit auch die Menschenrechte. Gleichzeitig ist das Verhältnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt zumindest seit zwei Jahrzehnten mehr als angespannt. Auch die jüngste Entwicklung im Iran – die brutale Unterdrückung der Proteste nach dem Tod der 22jährigen Mahsa Amini gegen die autoritäre Regierung mit hunderten Toten und Hinrichtungen – trägt hier zu keiner Entspannung bei. Außerdem steht nach den Jahren der Pandemie auch die Globalisierung auf dem Prüfstand. Manche Experten sprechen bereits von ihrem Ende und von damit verbundenen nötigen neuen Wegen in der Produktion von Gütern und ihrem Handel.

Was also tun? Niemand hat ein Geheimrezept angesichts einer Fülle von politischen und wirtschaftlichen Krisen. Doch eines – davon bin ich fest überzeugt – darf nie auf der Strecke bleiben. Der Dialog. Trotz allem. Der einzige Weg um bestehende und neu entstehende Mauern im Kopf abzubauen. Und Symposien wie dieses können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

  1. https://www.societasiranologicaeu.org/
  2. https://www.bmeia.gv.at/oeb-teheran/oesterreich-im-iran/vertraege
  3. https://www.bmeia.gv.at/kf-teheran/das-kulturforum/ueber-uns/

[1]. österreichische Buchautorin sowie ehem. Radio- und TV-Journalistin beim ORF,
E-mail: mathilde.schwabeneder@orf.at.

http://spektrum.irankultur.com/?p=3675&lang=de

http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2023/09/Wir-brauchen-Dialog.pdf

 

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