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Die heilige Stadt Qom | Auszüge aus dem Reisebuch „Nach Isfahan“ von Pierre Loti

Pierre Loti, französischer Marineoffizier und Mitglied der Académie française, war ein berühmter Schriftsteller, der in zahl­reichen Romanen oft seine eigenen Reisen und Wanderungen schilderte.

Pierre Loti, mit bürgerlichem Namen Julien Viaud, wurde am 14. Januar in Rochefort, Département Charente-Maritime, als Sohn eines Schiffsarztes geboren. Beruflich schlug er die Laufbahn beim Militär ein, besuchte die Marineakademie und diente dann als Offizier. Sein Beruf brachte es mit sich, dass er zahlreiche Reisen in ferne Länder und Städte unternehmen konnte, so nach Dakar, Tahiti, Istanbul, Marokko, Vietnam, China und Indien. Im Jahr 1900 kam er nach Persien und besuchte hier verschiedene Städte. Seine Reiseeindrücke hat er unter der Überschrift „Vers Ispahan (Nach Isfahan)“ zunächst im Dezember 1903 und im Feb­ruar 1904 in der Zeitschrift „La Revue des deux mondes“ veröf­fentlicht. Im Jahr 1904 erfolgte dann die Veröffentlichung als Buch, das 1925 in Berlin in deutscher Übersetzung mit dem Titel „Reise durch Persien“ von der Deutschen Buch-Gemeinschaft her­ausgegeben wurde. Zwei Jahre zuvor, am 10. Juni 1923 war Pierre Loti in Hendaye, Département Pyrénées Atlantiques, verstorben. „Vers Ispahan“ hat in Frankreich zahlreiche Auflagen erlebt. Der folgende Auszug ist aus Lotis „Reise durch Persien“, Seite 255 bis 262, entnommen.

Die heilige Stadt Qom

Donnerstag, 14. Mai (1900)

Frühmorgens brechen wir auf, um heute Abend die Stadt zu errei­chen, wo die heilige Fatima, die Enkelin des Propheten[1], ruht.

Nach fünf- oder sechsstündigem Weg, in einer strahlenden Wüste, deren Pfade mit Gerippen besät sind, gegen zwölf Uhr mittags, um die Stunde des Blendwerks und der Luftspiegelungen, leuchtet dort hinten, in der unbestimmbaren Ferne, ein Gegenstand auf, etwas, was sich dem Auge, den Sternen gleich, nur durch seine Strahlen zeigt; ein aufgehendes Gestirn, eine goldene Kugel, eine Feuerku­gel, etwas ganz Ungeahntes, etwas nie Gesehenes.

Qom! Sagt der Rosselenker, indem er mit dem Finger darauf zeigt… Also dies ist die berühmte goldene Kuppel, die in der mit­täglichen Sonne funkelt, die einem Leuchtfeuer mitten am hellen Tage gleicht, die die Karawanen aus tiefer Wüste heranlockt… Sie erscheint und verschwindet wieder, ganz nach Laune des hügeligen Bodens, und nachdem wir mehr als eine Stunde in dieser Richtung dahin getrabt sind, ohne dass wir uns ihr merklich genähert hätten, ist sie plötzlich nicht mehr sichtbar.

Es ist vier Uhr nachmittags, als wir die Bäume der Oase Qom, die Kornfelder und schließlich die Stadt entdecken; ein gewaltiger, grauer Trümmerhaufen, und immer und überall Schutt, Spalten und Risse… Natürlich sieht man, wohin das Auge auch fällt, die ver­schieden gestalteten Kuppeln, Zinnen und Minaretts, graubraune Türme, rosenrote Türme, die von einem blauglasierten Turban be­deckt zu sein scheinen. Und jede aufragende Spitze ziert ein Storch, gravitätisch steht er in seinem Nest. Hier gibt es viele verlassene Gärten, die mit Granatbäumen angefüllt sind, deren Boden durch die fallenden Blütenblätter blutrot gefärbt wird … Aber wo ist die goldene Kuppel, das Grab der Fatima, das wir von weitem zwi­schen den Luftspiegelungen des Mittags sahen? Wir müssen ge­träumt haben, denn nicht die geringste Spur von ihr ist sichtbar.

PDF: Auszüge aus dem Reisebuch „Nach Isfahan“ von Pierre Loti

[1] Es handelt sich nicht um Fātima, die Tochter des Propheten Muḥammad, sondern um Fātima bint Mūsā  (790-816), die Schwester des achten Imams ´Alī ibn Mūsā ar-Ridā (765-818).

 

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