web analytics
Freitag , März 29 2024
defa
Home / Publikationen / Moulana Jalaluddin Balkhi-Rumi: Diwan-e Schams, Bd. 1, übersetzt von Peter Finckh und Farnoosh Taherloo, 2020, Edition Shershir, ISBN: 9783906005164, 148 S., 26,80 €.

Moulana Jalaluddin Balkhi-Rumi: Diwan-e Schams, Bd. 1, übersetzt von Peter Finckh und Farnoosh Taherloo, 2020, Edition Shershir, ISBN: 9783906005164, 148 S., 26,80 €.

Felix Herkert | Beim Verlag „Edition Shershir“ ist in den letzten Jahren eine ganze Anzahl von mystischen Quellentexten des Islams (z. B. Werke von Rumi, Ibn Arabi und Sohravardi) sowie Sekundärliteratur zum Sufismus (namentlich zwei Bücher William Chitticks) in deutscher Übersetzung erschienen. Hiermit liegt nun der erste Band von Rumis Divan-e Schams vor. Das dem vom Rumi innig geliebten Derwisch Schams-e Tabrizi gewidmete Werk wird wohl jedem an der persischen Tradition Interessierten als eines der großen Meisterwerke persischer Dichtkunst zumindest dem Namen nach bekannt sein. Eine deutsche Gesamtübersetzung des umfangreichen Werkes ist noch nicht erhältlich, doch ist hiermit der Anfang zu einer solchen gemacht.

Neben einem kurzen Vorwort von Roland Pietsch ist das Buch mit einer Einleitung des Übersetzers Peter Finckh versehen, die einige Hinweise zu Rumis Leben, zu seinem Werk und zur vorliegenden Ausgabe bietet. Grundlage der Übersetzung war die im Jahre 2008 erschienene, von Mohammad-Reza Shafi‘i Kadkani besorgte, persische Edition des Divan. Besonderheit dieser Ausgabe war es, dass Kadkani dort den Versuch unternommen hatte, „alle fremden Einflüsse und Einfügungen von anderen Autoren aus dem Werk von Foruzanfar [d. i. die ältere Standardausgabe des Divan in zehn Bänden] auszusortieren“ (11). Die als Band 1 konzipierte deutsche Übertragung beinhaltet hiervon nun die ersten hundert Ghazelen, die bereits einen sehr guten Einblick in Rumis Dichtkunst ermöglichen.

Thematisch kreist das Buch um verschiedene klassische Motive des Sufismus: die Betonung der Einheit aller Gegensätze (53: „Sprich nicht über Zweiheit, weil du nicht getrennt bist“), einen recht weit gefassten Offenbarungsbegriff (31: „Jeden Augenblick kommt eine Offenbarung“), ein anagogisches Verständnis der Schöpfung (43: „Alle Bilder der Welt laufen zu seinem Bild, / Wie Stücke von Eisen, von einem Magnet angezogen“), die Auslöschung des Ichs in Gott (91: „wer seinen eigene Vorrang vor Gott aufgibt, / Wird die Herrlichkeit finden“), etc. Gekleidet ist dies alles in eine von Bildern und Symbolen durchtränkte Sprache. Häufig finden sich Metaphern göttlicher Trunkenheit, vor allem das Weinmotiv, wobei Rumi in manchen Gedichten sehr deutlich zwischen irdischem und himmlischem Wein unterscheidet. Während ersterer lediglich „das Herz für einen kurzen Augenblick sorglos“ mache, so mache letzterer „das gottsehende Auge trunken“ und „dein Handeln zu Gold“ (78).

Stets wiederkehrendes und dem gesamten Divan zugrundeliegendes Thema ist Rumis „Weg der Liebe“, der ganz verschiedene Dimensionen umfasst, wobei weltliche Liebe und Gottesliebe doch letztlich verschmelzen, weil, wie Rumi schreibt, „die weltliche Liebe schliesslich zur Liebe Gottes führt“ (37). „Oh Gestalt der ewigen Liebe, du hast dich so schön durch den Körper gezeigt, / Damit du unsere gefangenen Seelen zum Einen führst“ (39). Denn wie der Dichter betont: „Jedes lebende Ding freut sich auf die Vereinigung mit seinem höchsten Ursprung“ (44). Diese Vereinigung vollzieht sich nur in einem Akt der Liebe, nicht vermittels des diskursiven Verstandes – weshalb Rumi in einer Vielzahl von Versen den Gegensatz von Verstand und Liebe beschwört. „Bis die Vernunft eine Lösung findet, / Erreicht die Liebe den siebten Himmel. / Bis die Vernunft ein Kamel für die Pilgerfahrt findet, / Wird die Liebe oben auf dem Berg Safa stehen“ (118). Nicht zuletzt transzendiert dieser „Weg der Liebe“ sämtliche Differenzen zwischen den unterschiedlichen religiösen Gruppierungen, „liegt jenseits der zweiundsiebzig Sekten“ (135).

Dass der Bilder- und Bedeutungsreichtum von Rumis Sprache jeden Versuch einer Übersetzung vor große Herausforderungen stellt, ist offensichtlich, und die Übersetzer haben hier einen Weg gewählt, recht eng am Text zu bleiben, mithin „die Aussage und die Bedeutung der Verse so genau wie möglich zu übertragen“ und bei Bedarf „Erklärungen und Ergänzungen von kulturellen, religiösen und sprachlichen Ausdrücken und Begriffen in Fussnoten“ hinzuzufügen (13). Somit richtet sich das Buch an eine breitere Leserschaft und ist grundsätzlich auch dem interessierten Laien zugänglich – was andererseits nicht heißen soll, die inneren Zusammenhänge in Rumis Werk seien immer leicht zu erschließen. In jedem Falle kann das Erscheinen dieser gelungenen Übertragung nur begrüßt werden und wird gewiss dazu beitragen, Rumi im deutschen Sprachraum bekannter zu machen; die noch folgenden Bände des Divan darf man mit Vorfreude erwarten.

Felix Herkert: Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br., E-Mail: felixherkert@aol.com.

Check Also

Persophilie neu betrachtet im globalen Kontext – Ein Gegenentwurf zu Edward Saids Orientalismus-Kritik

Das westliche Vorstellungsbild vom Orient – und damit auch von Persien, wie der Iran bis 1935 hieß – oszilliert seit Jahrhunderten zwischen Bewunderung für Kultur und Geschichte einerseits und Misstrauen, Verachtung und Angst andererseits, wobei letztere Einstellung im Verlauf des 20. Jahrhundert zunehmend die Oberhand gewonnen hat. Entsprechend abwechslungsreich verliefen historisch die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert