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Richard Wagner und Hafiz; Hafiz und die Hafiz-Rezeption im Abendland

Markus Fiedler[1] | Im Abendland stieg das Interesse am persischen Dichter und Mystiker Hafiz (1315-1390) im 18. Jahrhundert mit den Übersetzungen von Sir William Jones (1746-1794) in England. Die deutsche Übersetzung des Barons von Hammer-Purgstall inspirierte im 19. Jahrhundert Goethe, das Werk des West-Östlichen Divan (erschienen 1819) zu verfassen. Die Dichtkunst von Hafiz hatte bei Goethe zu einer derartigen Begeisterung geführt, dass er Hafiz als „Heiligen Hafiz“ und „Himmlischen Freund“ bezeichnete. Von Goethes „West-Östlichen Divan“ inspiriert, dichteten eine Reihe deutscher Poeten, unter ihnen Rückert und Graf Platen, Gedichte nach dem Vorbild der Ghazalen, einer poetischen Form, die Hafiz in der persischen Literatur perfektioniert hatte. Auch Wagners Freund (und späterer Feind) Friedrich Nietzsche kann zu den deutschen Denkern gezählt werden, die von Hafiz beeinflusst und fasziniert waren. 

Richard Wagner über Hafiz

Es ist bisher kaum zur Kenntnis genommen worden[2], wie überschwänglich der deutsche Komponist Richard Wagner (1813-1883) vom persischen Dichter Hafiz schwärmte – und dass nicht nur einmal. Man sollte annehmen, dass diese hohe Meinung von Hafiz auch sein Werk beeinflusste.

Richard Wagner wurde im Jahr 1852 auf Hafiz aufmerksam, als er an seiner Oper „Rheingold“ arbeitete. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies vor seiner Beschäftigung mit dem Werk Schopenhauers geschah. Wagner las im Jahr 1854 – auf Anraten seines Freundes Georg Herwegh – Schopenhauers Werk “Die Welt als Wille und Vorstellung”. Daraus entsprang eine Begeisterung für Schopenhauers Philosophie des Pessimismus, die bis zum seinem Lebensende anhielt. Im Saal der Villa Wahnfried in Bayreuth kann auch heute noch ein großes Bild Schopenhauers bewunndert werden.

So gab der Bayreuther Meister seine Meinung über Muhammad Schams ad‐Din Hafis in einem Brief an Theodor Uhlig vom 12. September 1852 wie folgt kund: „Dieser Perser Hafis ist der größte Dichter, der je gelebt und gedichtet hat. Wenn Du Dir ihn nicht augenblicklich anschaffst, verachte ich Dich in Grund und Boden.“[3] Etwa einen Monat später kommt Wagner in einem Brief an Uhlig abermals auf Hafiz zu sprechen: „Studire den Hafis nur ordentlich: er ist der größte und erhabenste Philosoph. So sicher und unumstößlich gewiß, wie er, hat noch niemand um die Sache gewußt.“[4]

Auch an anderer Stelle kommt die Begeisterung Wagners für Hafiz zum Ausdruck. So bezeichnet er in einem Brief an August Röckel vom September 1852 Hafiz als „den größten aller Dichter […], von dessen Gedichten jetzt eine sehr genießbare deutsche Bearbeitung durch Daumer existirt.“[5] Weiterhin finden wir im selben Brief an Röckel im weiteren Verlauf folgende Ausführungen Wagners, in der der Komponist am Beispiel von Hafiz seine Wertschätzung der orientalischen Kultur zum Ausdruck bringt: „Die Bekanntschaft mit diesem Dichter hat mich mit wahrhaftem Schreck erfüllt: wir stehen mit unsrer ganzen pomphaften europäischen Geistescultur fast tief beschämt vor dem, was bereits der Orient einmal mit so sichrer, heiter erhabener Geistesruhe hervorgebracht hat.“[6]

Aus den Tagebüchern Cosima Wagners können wir schließen, dass die Begeisterung für Hafiz nicht nur einer kurzen Phase im Leben Wagners entspringt, sondern dass auch der gealterte Meister Hafis zitiert. So schreibt Cosima bspw. Am 3.4.1880, dass „R. [Richard Wagner, M.F.] den Vers von Hafis sündigend ein Sünder sein, zitiert und sagt, wie berauschend das anakreontische Wesen, in das Orientalische übersetzt, wirke. Auch, sagt er, sei der Sinn zu fassen und zu verteidigen, nur gerade keine Regel für die Jugend.“[7]

Angesichts der Tatsache, dass „Wagner – im Gegensatz zu seinen Bühnenwerken – in seinen Konzertwerken und Liedern auch fremde Lyrik vertont hat“, durchaus erstaunlich, „dass sich unter den von ihm vertonten fremden Texten nicht auch ein Hafis befindet.“[8] So komponierte bspw. Frédéric Louis Ritter (1834-1891) sein Opus 1 unter dem Titel „Hafis: ein Liederkreis aus dessen Gedichten”. Als ein weiteres Beispiel kann die Vertonung „Zwölf Liebeslieder des Hafis”, Op. 9, des baltischen Komponisten Emil Mattiesen (1875-1939) angeführt werden.[9]

http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2021/04/5-Richard-Wagner-und-Hafiz.pdf

 

[1] Lehrtätigkeit am Al-Mustafa Institut Berlin: Berufsorientiertes Modul, E-mail: info@almustafa.de.

[2] Mit der Ausnahme von einem kurzen Artikel von Prof Dr. Peter P. Bachl unter dem Titel „Die Hafis-Rezeption in der Nachromantik“, GRIN-Verlag 2013. Die nachromantische Hafis-Rezeption ist für ihn ein „Nachhall von Richard Wagner“ (Ebenda, S. 6) Der Einfluss von Hafiz auf Wagner wird dabei allerdings gerade Mal mit einer halben Seite behandelt.

[3] Richard Wagner an Theodor Uhlig, 12. September 1852. In: Wagner‐Briefe, a. a. O., S. 476.

[4] Wagner an Uhlig, 14. Oktober 1852. In. Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Bd. 5. Leipzig 1993, S. 80.

[5] Richard Wagner an August Röckel, 12. September 1852. In: Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Leipzig 1979, Bd. 4, S. 472

[6] Richard Wagner an August Röckel, 12. September 1852. In: Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Leipzig 1979, Bd. 4, S. 472.

[7]  Cosima Wagner: Die Tagebücher. München 1977, Bd. 2, S. 516.

[8] Peter P. Pachl, Die Hafis-Rezeption in der Nachromantik 2003, S. 6

[9] Vgl. ebenda.

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