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Gründungsgeschichte des Faches „Iranistik“ an der Universität Heidelberg

Omid Sadeghi Seraji 

Als ein selbständiges Studienfach ist „Iranistik“, unter dieser offiziellen Bezeichnung, erst im Jahre 1989 an der Universität Heidelberg gegründet worden. Dennoch weist die Beschäftigung mit der Studienrichtung, in Disziplinen „Alt-Orientalistik“, „vergleichende Sprachwissenschaft“ und „Indogermanistik“ eine fruchtbare Tradition auch in früheren Jahren auf. Als Kulminierung dieser Tradition ist in der ersten Reihe die Errungenschaften von Herrn Dr. Prof. „Christian Bartholomae“ (21.1.1855 – 9.8.1925) zu erwähnen, der im WS 1910/11 und WS 1920/21 Amt der Dekan der philosophischen Fakultät, und im 1918 bis 1920 Ämter der Rektor und Prorektor der Universität Heidelberg innehatte. Von ihm sind mehrere Studien und Werke über alt-persisch, alt-iranische Sprachen und awestische Sprache erschienen. Sein Altiranisches Wörterbuch (1904) zählt noch zu den Klassikern. Er ist auch für seine Mitwirkung an der Gründung der „Studenten Werk“ der Universität Heidelberg zu preisen. Das Fach Indogermanistik wurde in späteren Jahren durch Indologie, Assyriologie, Semitistik und Teilweise Islamwissenschaft und Iranistik ersetzt.

Bemerkung zum historischen Hintergrund

Vor 1970 sowie nach 2002 waren die sogenannten Geisteswissenschaften der Philosophischen Fakultät untergeordnet. Diese Ordnung wurde im Jahre 1970 so geändert, dass das Reich der Philosophischen Fakultät unter 5 kleinere Fakultäten geteilt wurde. Diese waren:

  1. Philosophisch-Historische Fakultät (bis Sept. 2002)
  2. Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft (bis Sept. 2002)
  3. Neuphilologische Fakultät (bis heute)
  4. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät (bis Okt. 1979) bzw. Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät (Okt. 1979-Sept. 2002)
  5. Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften (Okt. 1979-Sept. 2002) (Hermann Weisert, Dagmar Drüll, Eva Kritzer, 2007)

Diese neue Ordnung der Philosophischen Fakultät hat sich später für die Potential der Einrichtung des Faches Iranistik als ungünstig erwiesen. Herr Prof. Deller, der Initiator des Faches Iranistik, beklagt sich über die Dezentralisierung mit der scharfen Kritik: „Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut“. In der „Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft“ waren die Fächer „Semitistik“, „Islamwissenschaft“ und „Alt Orientalistik“ (Assyriologie) vorfindlich. Die Südasieninstitut hat einen eigenen Organisationskörper. Die Dekane der „Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft“ in 70er Jahren waren:

  • 1970 Anton Schall
  • (Prof. Schall war selber Professor des Neu-Persischen und ein Mitglied der Kommission für Iranistik)
  • 1972 Anton Schall
  • 1973 Herwig Görgemanns
  • 1975 Albrecht Dihle
  • (Prof. Dihle war auch selber ein Mitglied der Kommission für Iranistik)
  • 1977 Waldemar Görler
  • 1979 Herrmann Berger
  • Okt. 1981 Geza Alföldy

Nachfrage der iranischen Botschaft

Die erste offizielle Mitteilung der Universität, in der der Name „Iranistik“ auftaucht, ist eine Antwort der Dekan „Dihle“, die sich auf die Frage der „Kaiserlich iranischen Generalkonsulat“ bezieht.

Am 25. 02. 1976 schreibt der iranischeGeneralkonsul „Bayat“ die Universität und bittet um Mitteilung, „ob an Ihrer Hochschule ein Fach für Iranistik existiert“. (s. Abb.1). Darauf wird folgendermaßen geantwortet:

 „ein Fach „Iranistik“ ist in unserer Fakultät nicht vertreten. Ältere Iranistik wird an dieser Universität im Rahmen der Sprachwissenschaft, Jüngere Iranistik in dem der Islamwissenschaft behandelt“.

Brief von Herrn Deller

Man sollte erwarten, dass der Wünsch „Iranistik“ als ein unabhängiges Fach ein zu führen, seitens der Iranischen Konsulat geäußert und verfolgt werden darf; was den kulturellen Politiken des kaiserlichen Iran in der Zeit entspricht. Dies aber war nicht der Fall. Dieser Wünsch wurde von einem Assyriologen namens Professor Karl Heinz Deller (21. Feb. 1927- 20. Dez. 2003) in einem Brief an Dekan der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft Herrn Prof. Dr. Dihle geäußert. Herr Deller bezieht sich in seinem Brief auf seinen Ratschlag an eine Studentin, Iranistik als Nebenfach zu wählen. Er habe sich gewundert zu hören, dass es kein Fach „Iranistik“ an der Universität Heidelberg existiert, während fünfzehn iranistischen Lehrveranstaltungen in demselben Semester von verschiedenen Einrichtungen der Universität angeboten werden:

Das sind summa Summarum 15 iranistische Lehrveranstaltungen; mehr kann man eigentlich auch an einer Universität nicht verlangen, in deren Fächerkatalog „Iranistik“ aufgenommen ist.

Da wir ja der Wahrheit verpflichtet sind, soll auch das Auslandsamt bzw. Studentensekretariat nicht sagen, Iranistik sei in Heidelberg nicht vertreten.

Dennoch: unsere Fakultät sollte vielleicht einmal darüber reflektieren, ob wir uns in Zukunft um diesen Fach nicht mehr kümmern wollten. Wir haben etliche Mitglieder des Lehrkörpers, die davon etwas verstehen; wir haben ganz gute Bücherbestände (wenn auch etwas verstreut), und; wir haben sogar interessierte Studenten. Was fehlt ist eigentlich nur die Koordination, die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut.

Er mutet an, wir können ab und an uns einen iranistischen Lehrauftrag leisten und nimmt als Beispiel den vorhin erteilten Auftrag der Gastprofessor „Herr Kollege najmabadi aus Tehran“. Die politisch günstige Lage wird auch von ihm angesprochen:

Dem Herrn Ministerpräsident ist seit seinem Besuch in Iran an einem Ausbau der Beziehung der Universitäten des Irans und Baden-Württembergs sehr gelegen. Diese Woge sollten wir uns zunutze machen. Nicht vergessen sei auch, dass derzeit der Iran praktisch das einzige Land mit altvorderasiatischen Denkmälern ist, das ausländischen Missionen ungehinderten Zugang zu den Altertümern gewährt. (s. Abb.2)

Herr Deller fördert abschließend Herrn Dihle auf, dieses Problem in einer Fakultätssitzung des W.S. 1976/77 anzusprechen.

Die Studentin die Herr Deller damals zum „Iranistik“ beriet, war Frau Shirin Sanati, die ein Jahr später als erste Studentin im Fach Iranistik aufgenommen wurde. Frau Sanati promovierte später im Nebenfach Iranistik an Universität Heidelberg, und war als Lehrbeauftragte für Iranistik in 90er Jahren an der hiesigen Hochschule tätig.

Omid Sadeghi Seraji, Berlin Free University, Doctoral candidate: Byzantine studies. Email: mynameisomid@yahoo.com

Quelle: SPEKTRUM IRAN 35. Jahrgang 2022, Heft 1/2

Weiter unter: http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2022/07/iranistik-heidelberg.pdf

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